Zwei Gräber: Gauleiter Wächtler und Gustav Schepp

(© Dr. Markus Gruber) Ein altes Foto und ein (halb)vergessenes Soldatengrab im Friedhof von Herzogau: Die Exekution des Gauleiters der „Bayerischen Ostmark“ Fritz Wächtler am 19. April 1945 in seinem Rückzugsort Herzogau bei Waldmünchen ist der historisch interessierten Allgemeinheit verhältnismäßig gut bekannt. Auch von seinem Grab im Friedhof Herzogau, in welches er fünf Jahre nach seinem Tod aus einem Feldgrab umgebettet wurde, existieren einige Fotos. So auch eine Farbaufnahme, die der Waldmünchner Oberlehrer Hans Brückl um 1955 angefertigt hat. Bei deren genauerer Betrachtung fällt rechts im Hintergrund ein Birkenkreuz auf (das Bild ist vergrößerbar, wenn man darauf klickt - eine Vergrößerung ist unter dem Artikel zu finden). Kann es sich hier um ein Soldatengrab handeln? Traditionell wurden die Gräber gefallener oder verstorbener Soldaten der Wehrmacht mit einem Kreuz aus Birkenholz gekennzeichnet, sei es im freien Feld, sei es auf Friedhöfen (im Umfeld von Waldmünchen sind noch heute, als eine Art Anschauungsobjekt, zwei solcher Gedenkstätten zu sehen). Es ist unwahrscheinlich, dass es sich hier um ein privates Grab einer Herzogauer Familie handelt, zumal wenn man die anderen Kreuze auf dem Foto vergleicht: Ein Birkenkreuz war in der Tradition einem Soldatengrab vorbehalten.

Tatsächlich wurde im Jahre 1957 aus der damals noch selbständigen Gemeinde Herzogau, deren Verwaltung in Voithenberg war, ein Soldat zur Kriegsgräberstätte Hofkirchen umgebettet. Dieser war am 7. Mai 1945 während einer Operation an Blutverlust und Herz- und Kreislaufversagen verstorben. Es handelte sich um Gustav Adam Schepp, geboren am 30.09.1897 in Frankfurt am Main. Schepp war danach wohnhaft in Friedberg (Hessen), heiratete und wurde schließlich zur Wehrmacht einberufen. Im Umbettungsprotokoll vom 30. Januar 1957 (Gemeindearchiv Herzogau) ist als Dienstgrad „Schütze“ verzeichnet. Er gehörte zum Landesschützen-Ersatz-Bataillon I/13. Seine letzte Ruhestätte fand Gustav Schepp in Hofkirchen, Reihe 33, Grab 12. Über die näheren Umstände seiner Verwundung oder Erkrankung, die zum Tod führten, können bislang noch keine näheren Aussagen getrofffen werden. Offenkundig war Gustav Schepp noch ins Lazarett Herzogau gebracht worden, das schon einige Zeit vor Kriegsende im Grenzlandhotel (zugleich die Residenz von Fritz Wächtler) eingerichtet worden war. Die Sterbeurkunde (Standesamt Herzogau/Voithenberg, Nr. 11) wurde von einem Assistenzarzt Dr. Maier unterzeichnet.

Ältere Soldaten, und hierzu muss man den 48-jährige Gustav Schepp zählen, wurden für gewöhnlich zu Sicherungszwecken eingesetzt, aber auch als Begleitkommando für Gefangenentransporte, darunter auch die sogenannten Todesmärsche aus den Konzentrationslagern. Ein solcher Todesmarsch aus dem KZ Flossenbürg endete am 23. April im Raum Rötz, nachdem noch in letzter Minute hunderte Häftlinge erschossen oder erschlagen wurden. Im Friedhof von Bernried wurden 164 KZ-Opfer beerdigt und 1957 nach Flossenbürg überführt. Im selben Friedhof, Bernried, wurde aber auch ein deutscher Soldat bestattet, der hier am 23. April, dem Tag der Befreiung des Todesmarsches durch die amerikanische 11th Armored Division, ums Leben kam: Josef Nakielski, geboren am 30.11.1885 in Lipusz im damaligen Westpreußen. Der fast 60-jährige Nakielski hatte einen der niedrigsten Dienstgrade, „Landesschütze“, und seine Einheit war das „Landesschützen-Ersatz-Bataillon Frankfurt-Bonames“ (Bonames ist ein Frankfurter Stadtteil). Seine sterblichen Überreste wurden im Jahre 1955 ebenfalls nach Hofkirchen umgebettet.  

Gehörte nun womöglich auch der 48-jährige Schütze (Landesschütze?) Gustav Schepp aus Frankfurt bzw. Friedberg zu einer solchen Wacheinheit? Wurde er bei Kämpfen im Raum Rötz-Waldmünchen verwundet und in das nächstliegende, große Lazarett Herzogau gebracht? Oder war er schon länger Patient in Herzogau? Dies alles sind nur Vermutungen. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es sich lohnt, bei alten Fotos ganz genau hinzuschauen.