(© Dr. Markus Gruber) Der Obergefreite Kurt Ernst Hermann Bruno Köster (*22.02.1924 in Hamburg, im Zivilberuf Lackierer) ist am 29.04.1945 tatsächlich in der damaligen Gemeinde Biberbach gefallen, wie nun eine Auskunft des Volksbundes ergab: In der betreffenden Notiz des Bundesarchivs wird der Todesort näher angegeben mit „in einer Jagdhütte der Gemeinde Biberbach“. Gemeint ist sehr wahrscheinlich die sogenannte Dr.-Lechner-Hütte im Hochholz zwischen Biberbach und Treffelstein, welche nach Zeitzeugenberichten bei Kriegsende in Brand geschossen wurden. Diese Hütte gehörte dem Arzt und Waldmünchner Krankenhaus-Chef Dr. Matthias Lechner (1889-1970, Biographie hier: Link zur Webpräsenz der Gemeinde Treffelstein). Für den Soldaten Köster (Namensvariante „Köstner“), der mit nur 21 Jahren den Tod fand, macht die Sterbeurkunde des zuständigen Standesamts Hamburg (Nr. 657 von 1947) nur ungefähre Angaben: „Ende April“ und "im Landkreis Waldmünchen". Die „Verlustliste Nr. 2“, die der Landesverband Niedersachsen Nord (Hannover-Kleefeld) des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge kurz nach Kriegsende drucken ließ, gibt indes den 29.04. an und als Todesort "bei Biberbach".
Aber wie kam es zu diesem Todesfall noch am 29. April in einem Gebiet, das seit vier Tagen ‚amerikanisch’ war? Die Front war da bereits einige Kilometer nach Osten vorgerückt. Biberbach wurde am 25. April, Waldmünchen am 26. April besetzt. Der entscheidende Hinweis findet sich in der „History“ des 344th Field Artillery Battalion, eine zur 90th US Infantry Division gehörende Artillerieeinheit, die seit dem 26. April in Treffelstein lag: „…on the 29th B Battery and one gun from the ack-ack fired on a house directly in front of them, where a bunch of SS had been reported in hiding“. (zugänglich hier: Link zur Webpräsenz der 90th Division Association, unter "WW2 Unit Histories"). Das heißt: „Am 29. (April) feuerten Batterie B und ein Geschütz der ‚ack-ack’ auf ein Gebäude, das unmittelbar vor ihnen lag, wo sich einer Meldung nach eine Gruppe SS-Männer versteckt hatten.“ Das Wort „ack-ack“ ist eine lautmalerische Abkürzung für „Anti-Aircraft“, also spezielle Flugabwehrgeschütze, die zusätzlich dem Artillerie-Bataillon unterstellt waren, in diesem Fall wohl Company B des 537th Anti Aircraft Battalion, das ebenfalls in Teffelstein lag und an diesem Tag drei Gefangene machte.
Und um 10.15 Uhr meldete eine Patrouille folgendes: „Auf dem Berg 545015 steht ein Gebäude mit einer Gruppe von 6 SS-Männern. Wir werden Artillerie-Beschuss darauf legen.“ (Unit Journal des 358th Infantry Regiments, NARA 390-INF(358)-0.7) Diese Koordinaten markieren genau den Waldberg, der auf halber Strecke zwischen Biberbach und Treffelstein liegt. In der Dr.-Lechner-Hütte, die dort im sogenannten Hochholz stand, hielten sich offenbar seit Tagen einige versprengte deutsche Soldaten auf – allerdings keine SS-Männer, sondern ‚normale’ Wehrmacht. Die Einheit des Obergefreiten Köster war, laut Verlustliste, die „Panzer-Versuchs-und-Ersatzabteilung 300 (Fkl.)“, die in Eisenach (Thüringen) stationiert war. Diese stellte den personellen Ersatz für Funklenkeinheiten der Panzerwaffe und war zugleich eine Ausbildungsabteilung für den ferngesteuerten Kleinstpanzer „Goliath“. Exakt diese Einheit wird nun auch in den IPW-Reports des 359th Infantry Regiments genannte, den Gefangenenverhören (NARA 390-INF(359)-0.8). Bereits am 25. April wurden bei Biberbach 10 Mann der Panzer-Versuchs-und-Ersatzabteilung 300 gefangen genommen, am 26. April bei Spielberg nochmals 10. Ein Verhör vom 26. April ergab interessante Informationen: 100 Mann dieser Abteilung hatten einige Zeit vorher Eisenach verlassen. Auf ihrem Rückzug nach Süden wurden sie von einem Stadtkommandanten zum nächsten weitergeschickt. Die Abteilung wurde zunehmends kleiner, da ihr Kommandeur so etwas wie eine offizielle Desertion in Gang setzte: In Richtung Berlin durften 12 Mann aufbrechen, um "Ersatzteile zu beschaffen", und bei Regensburg durften 15 Mann "Lebensmittel besorgen". Die restlichen 60 Mann kamen in den Raum Waldmünchen, ohne jemals mit irgendwelchen übergeordneten Stellen wie einem Hauptquartier in Kontakt zu kommen. Nun aber wollte der Stadtkommandant von Waldmünchen (es müsste sich um Siegfried Stöhr gehandelt haben), dass diese Resttruppe die Stadt verteidige. Dies aber lehnte der Kommandant aus Mangel an Waffen ab und weil Waldmünchen strategisch nicht bedeutend sei. Offenbar kam kein Widerspruch von Seiten der Stadtverteidiger. Damit, so scheint es, war die Abteilung aufgelöst. Teilweise ergaben sich die Soldaten, teilweise flüchteten sie weiter. Einige der Soldaten – sicher keine erfahrenen Frontsoldaten, sondern wohl Techniker und Ausbilder – hielten sich aber nunmehr mitten unter den Amerikanern auf und versteckten sich im Biberbacher Hochholz, in der Jagdhütte des Dr. Lechner, der dort die Jagd gepachtet hatte. Auf Seiten der Amerikaner war in diesen Tagen die Nervosität groß, da es ständig Gerüchte über den „Werwolf“ gab, eine Art Partisaneneinheit der Nazis. Auch kamen immer wieder versprengte deutsche Soldaten, vielleicht auch SS-Männer, durch die Gegend, teils auch in Zivilkleidung. Am selben Tag, um 15.45 Uhr, meldete die 358th Infantry: „Die beiden SS-Leute, die angeblich bei Tiefenbach waren, waren nur zwei Wehrmacht-Soldaten und ein Leutnant, die sich in die Wälder verzogen.“ Bereits um 13.50 Uhr waren drei Wehrmachtsoldaten in Zivilkleidung aufgegriffen worden. Der Hinweis auf die immer noch als Feinde anzusehenden deutschen Soldaten in der Dr.-Lechner-Hütte soll von einem befreiten russischen Zwangsarbeiter gekommen sein. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Amerikaner nichts riskieren wollten und das ausgemachte Ziel aus etwa einem Kilometer Entfernung per Luftbeobachter beschossen – und trafen: Ganz offensichtlich wurde der Obergefreite Köster bei dem Beschuss schwer verwundet. Seitens der Bevölkerung ist überliefert, dass im Wirtshaus von Biberbach ein verwundeter Soldat notoperiert wurde. Allerdings war bereits am 25. April bei Witzelsmühle der deutsche Soldat Edmund Fedder erschossen worden.
Die entscheidende Frage, die bleibt: Wo wurde Bruno Köster bestattet? Die Gräberliste der Gemeinden Biberbach, Tiefenbach und Treffelstein geben keine Hinweise. Es wäre sehr unwahrscheinlich, wenn bei der systematischen, von der Landes- und Bezirksregierung angeordneten Nachforschung nach Kriegsgräbern Anfang der 1950er Jahre ein Soldatengrab (sei es im Wald oder in einem Friedhof) ‚übersehen’ worden wäre.
Eine Vermutung sei gestattet: Als 1956 aus dem Friedhof Waldmünchen die im April 1945 im näheren Umfeld der Stadt gefallenen Soldaten exhumiert wurden, strich die Stadtverwaltung zwei bislang in der Gräberliste geführte unbekannte Soldaten und vermerkte für das betreffende (Doppel-)Grab Nr. 8 in Sektion 13, Reihe 20, dass dieses „irrtümlich“ als Kriegsgrab geführt worden sei. Für die beiden Unbekannten waren allerdings im Jahre 1946 Grabmeldungen erstellt worden, leider ohne jegliche weiterführende Angaben. Nun gibt es noch einen weiteren bei Waldmünchen Gefallenen, bei dem sich nicht klären lässt, wo er bestattet wurde: Am 26. April fiel in Höll direkt am Grenzübergang, auf heute bundesdeutschem Staatsgebiet, der Obergefreite Karl-Hugo Schulze-Frieling. Ein noch lebender Zeitzeuge hat dies unmittelbar mitbekommen. Die Leiche lag einige Tage auf freiem Feld und war dann plötzlich weg. Wurde auch er im Waldmünchner Friedhof bestattet, zusammen mit Köster? Vielleicht war der angebliche Irrtum doch keiner. Ruhen die Obergefreiten Köster und Schulze-Frieling noch immer im Waldmünchner Stadtfriedhof?